Die Gebärdensprache ist eine so wunderbare Sprache, egal in welchem Land man dessen Gebärdensprache spricht! In diesem Text möchte ich über die Vorteile der Deutschen Gebärdensprache aufklären, da wir in Deutschland leben. Selbstverständlich gelten die gleichen Vorteile auch für andere Gebärdensprachen. Wenn jemand in Frankreich oder in einem anderen Land wohnt, kann die Französische Gebärdensprache bzw. die Gebärdensprache des Landes erlernen und die gleichen Vorteile nutzen, die eine Gebärdensprache bieten kann. Hier sind also die 5 Gründe für Gebärdensprache:
Inhaltsübersicht
1. Grund: Direkte Kommunikation mit gehörlosen Menschen
Klar können gehörlose Menschen auch mit uns hörenden Menschen kommunizieren, es geht so einigermaßen. Aber viel besser ist es, es würden alle Menschen die Deutsche Gebärdensprache (DGS) sprechen können. Dann wäre die Kommunikation barrierefreier und ein tieferer Austausch ist möglich. In fast jeder Stadt, durchaus auch in jedem vielleicht zehnten Dorf wohnt mindestens ein gehörloser Mensch. Ich jedenfalls kenne viele gehörlose Menschen, die in kleinen Städten und auch Dörfern wohnen. Auch diese gehörlose Menschen freuen sich, wenn sie auch mit hörenden Menschen in Deutscher Gebärdensprache kommunizieren können.
In einem anderen Blogartikel habe ich bereits 5 Tipps für die Kommunikation mit gehörlosen Menschen geschrieben.
2. Grund: Es ist eine vollständige Sprache mit eigener Kultur
und hält Geist und Körper fit. Sie ist gleichwertig wie die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch. Die Deutsche Gebärdensprache ist auf eine ganz natürliche Weise entstanden wie auch die Deutsche Lautsprache entstanden ist – durch Begegnungen zwischen gehörlosen Menschen.
Wer gegen geistige Ermüdung ankämpfen will, erlernt eine fremde Sprache. Manche Menschen lernen die Sprache, um im Urlaubsland direkt kommunizieren zu können. Die Deutsche Gebärdensprache ist genauso gut dazu geeignet, sich geistig fit zu halten. Zusätzlich hält man auch die Feinmotorik und die Mimik fit, da zur Kommunikation die Hände, der ganze Körper und die Mimik benötigt werden. Auch das Denken in 3D wird gefördert – finde ich jedenfalls.
Mittlerweile wird sogar seit 2021 von der Kultusministerkonferenz (zuständig für die Unterrichtsfächer in den Schulen) die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als Unterrichtsfach als Wahlpflicht-/Wahlfach (Link zum pdf vom Kultusministerium) empfohlen. In einigen Bundesländern wie Berlin, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Bayern liegen bereits Lehrpläne für das Fach DGS vor.
Nun werde ich bestimmt gefragt: wo kann ich die Deutsche Gebärdensprache lernen? Dazu wird in Bälde ein Artikel erscheinen, habt bitte etwas Geduld! 🙂
Ich werde das ganz oft gefragt und ja, die Gebärdensprache ist eine vollständige Sprache und gleichwertig wie die Deutsche Sprache! Mit ihr kann man ähnlich wie in der Deutschen (Laut-)Sprache oder wie im Englischen alles ausdrücken: Gefühle, privates, Probleme, Schulinhalte und auch hochwissenschaftliche Inhalte.
Sprache ist untrennbar mit Kultur verwoben
So ist es auch mit der Deutschen Gebärdensprache. Sie hat auch eine eigene Sprachkultur und hat neben der (filmischen) Erzählungen in Visual Vernacular auch andere sehr schöne Erzählformen wie Gebärdensprach-Poesie. Hier verlinke ich eine Erzählung zu „Die Forelle“ in Visual Vernacular. Auch ohne die Gebärdensprache zu können, können viele sehende Menschen den Erzählungen in Visual Vernacular (VV) folgen. Eins sei noch gesagt: Die VV ist jedoch keine Pantomime, wie hörende Menschen sie oft falsch betiteln, sondern wirklich ein Bestandteil der Gebärdensprachkultur!
Mehr zu Visual Vernacular erfahrt ihr in diesem Sendungsausschnitt von Sehen statt Hören „Die besondere Kunstform“.
Gebärdensprachkultur im TV
„Sehen statt Hören“ ist deutschlandweit das einzige TV-Magazin in Deutscher Gebärdensprache und Deutscher Lautsprache mit fest eingebauten Untertiteln, in der es sich nur um die Welt der gehörlosen und schwerhörigen Menschen dreht. Wer sich für die Gebärdensprache interessiert, kann gerne in der sehr vielfältigen Mediathek des einmal wöchentlich ausgestrahlten TV-Magazins des Bayrischen Rundfunks stöbern und vieles entdecken.
Sogar neulich im TV ist ein tauber Comödian aufgetreten: Okan Seese bei seinem Auftritt im ZDF-Comedysommer 2023 (bis zum 14.07.2025 verfügbar). Wenn die Kameraführung die ganze Zeit ihn von vorne gefilmt hätte, hätte man alles in DGS sehen und genießen können. Auch gehörlose Menschen hätten dann was davon! Aber nein, statt ihn wie bei den anderen hörenden Komikern auch die ganze Zeit wie zuvor von vorne zu filmen, hatte man ihn auch häufiger mal von hinten und von ganz weit weg gefilmt. Da denk ich, haben die Leuts immer noch nicht begriffen? Gebärdensprache ist eine Sprache, die man sehen muss, nicht hören! Für die anderen, die die Sendung (noch) nicht gesehen haben: Okan wurde für die hörenden Zuschauer zeitgleich durch eine zweite Person auf der Bühne in Deutscher Lautsprache dolmetscht.
Also: bitte filmt Okan Seese von Vorne und zwar den ganzen Oberkörper ab dem Gürtel samt Gesicht! Ich habe mich so sehr gefreut, ihn im TV zu sehen, mich aber sehr über die unsinnige Kameraführung ärgern müssen, denn dadurch musste ich Teile seines Auftrittes in Untertiteln lesen statt alles in DGS sehen zu können und fand das deshalb überhaupt nicht barrierefrei!
3. Grund: Deine Stimme oder Ohren fallen mal aus?
Kannst Du vorübergehend mal nicht sprechen? Oder wegen einer Erkrankung vorübergehend oder plötzlich mal nicht hören? Dann kannst du die Hände zur Kommunikation benutzen!
Ich bin sehr froh, die Gebärdensprache zu können, da ich schon häufiger mal eine Kehlkopfentzündung hatte oder auch einfach nur eine besonders starke Heiserkeit. Dennoch bin ich dann eben nicht „stumm und sprachlos“, sondern kann in der Gebärdensprache kommunizieren. Auch sogar telefonieren. Wie das geht? Mit dem Telefon-Dienst „Tess – Sign & Script – Relay-Dienste für hörgeschädigte Menschen“ kann ich mit der Gebärdensprachübersetzung telefonieren. Hierbei rufe ich den Dienst an, habe dann eine Videoverbindung mit der Dolmetschenden und diese ruft die Person an, mit der ich telefonieren möchte. Ganz praktisch ist das für mich, wenn ich Firmen anrufen muss, die einen Call-Center nutzen. Denn ganz oft kann ich die andere Person nicht so gut verstehen und habe schon manches Diskriminierende dabei erlebt, weil die andere Person nicht verstanden hat, dass ich nun mal nicht besser hören kann, wenn man ins Telefon schreit oder einfach weiter herumlispelt und ich die Person dann um mehrfache Wiederholung bitten muss. Das kostet auch viel Kraft, Zeit und auch viele Nerven. Natürlich ist auch mit Schriftdolmetschern ein Telefonieren möglich, geht aber nicht ganz so fließend schnell als mit Gebärdensprache.
Ich finde dieser Telefon-Dienst soll und kann auch von allen Menschen genutzt werden, die mal vorübergehend wegen Erkrankung der Ohren oder Stimme nicht telefonieren können. Es geht auch ganz einfach zu installieren und kostet Dich nur zusätzliche Telefonminuten-Gebühren. Klar, die erstmalige Installation des Programms auf dem PC und auch auf dem Handy kostet etwas Zeit, aber einmal eingerichtet ist es ziemlich einfach. Dazu braucht man nur sich als Kunde beim Telefon-Dienst Tess zu registrieren und kann sofort loslegen.
Gehörlose und schwerhörige Menschen kann man über diesen Dienst auch anrufen. Man ruft den Tess-Relay-Dienst mit dem Telefon an und nennt dann den Namen des gehörlosen oder schwerhörigen Menschens. Sofern dieser Mensch den Dienst auch nutzt und ihn aktiv hat, kann der Anruf durchgestellt und vom Gebärdensprachdolmetscher oder Schriftdolmetscher übersetzt werden.
4. Grund: Kommunikation aus der Ferne und bei Lärm möglich
Du bist im Zug und deine liebste Person steht draußen und ihr könnt nicht miteinander kommunizieren? Ihr lauft gerade an einer Baustelle vorbei oder steht aber getrennt durch die lauten Straße? Dann sprecht in der Gebärdensprache! So könnt ihr immer noch miteinander kommunizieren und müsst nicht auf SMS oder Handy ausweichen. Da ich viel mit der Bahn fahre, habe ich das öfters beobachten dürfen und muss manches Mal über die unbeholfenen Kommunikationsversuche schmunzeln. Es geht wirklich viel einfacher, nämlich mit der Gebärdensprache!
Vor einigen Jahren habe ich die tatsächlich geschehene Geschichte gehört (und auch gesehen als Video), dass in Amerika ein Haus eingestürzt ist. Ich weiß den genaueren Zusammenhang leider nicht mehr, weshalb das Haus eingestürzt ist. Jedenfalls weiß ich noch genau, dass eine Frau relativ weit oben eingeklemmt wurde. Aber ihr Kopf und ihre Arme waren frei. Diese Frau war hörend, konnte aber ASL – die American Sign Language.
Viele in Amerika können ASL sprechen, auch hörende Menschen, ohne dass sie gleich als Gebärdensprachdolmetscher arbeiten. So konnte diese Frau mit den Rettern in ASL kommunizieren, ohne schreien zu müssen. Schreien hätte bei ihrer Situation auch nicht viel genutzt, weil sie zu weit entfernt war und es durch die ganzen Maschinen zur Rettung auch laut war. Kommunizieren zu können beruhigt sehr, weil auch die Bedürfnisse kommuniziert werden können. So konnte sie den Rettern genauer schildern, was genau eingeklemmt ist und die Retter ihr sagen, wie jetzt vorgegangen werden soll bei der Rettung.
Schon alleine so eine Situation ist ein ziemlich guter Grund, die Gebärdensprache zu erlernen und durch Kommunikation mit gehörlosen Menschen fit zu halten. Leider habe ich diese Geschichte im WWW nicht mehr gefunden. Wer es noch weiß, schreibt es mir bitte ein Kommentar!
5. Grund: Kommunikation ist bei Stille trotzdem möglich!
Zum Beispiel im Ruhe-Abteil im ICE oder in der Kirche, auch während eines Vortrags oder Veranstaltung, in der selbst das Flüstern schon als sehr störend empfunden wird: Kommunikation mit Gebärdensprache ist dennoch möglich! Die Gebärdensprache kann man auch in kleinen Bewegungen und durch den Rücken der vorne sitzenden Personen verdeckt verwenden, so dass andere Teilnehmenden dadurch nicht abgelenkt werden können. Es reicht auch erstmal, das Fingeralphabet zu lernen: so kann man auch Wörter, die der andere akustisch nicht verstanden hat, still wiederholen ohne Stift und Zettel oder das Handy benutzen zu müssen – beides machen ggf. auch störende Geräusche!
Karin Müller Schmied
Museumsführungen und
Pädagogische Assistenz
in Deutscher Gebärdensprache
Für mich steht die kommunikative Barrierefreiheit an erster Stelle. Als Kindergartenassistentin begleite ich Dein gehörloses Kind im Kindergarten in Deutscher Gebärdensprache. In Museen führe ich Dich und Deine Familie durch die Ausstellungen in Deutscher Gebärdensprache und mache selbst Kunst.
In der Freizeit male und gärtnere ich gerne.
Liebe Sabine, ganz lieben Dank für dein Kommentar! In noch nicht allen Schulen ist das Fach DGS bereits im Angebot, aber nach und nach wird es das und ich freue mich sehr darüber, weil damit ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Inklusion geschieht! Die Gründe, warum DGS auch für Hörende nützlich sein kann, habe ich hier aufgezählt.
Zu der Erklärung und Vorstellung von Visual Vernacular gibt es ein schönes Video von Sehen statt Hören, das verlinke ich noch im Artikel. Kurz gesagt sind es kurze Geschichten, die in einer ganz besonderen Kunstform erzählt werden und für die man keine Gebärdensprachkenntnisse braucht. Heißt, dass es im Grunde inklusiv ist und auch Hörende ohne Gebärdensprachkenntnisse das sich anschauen und genießen können. Dennoch ist es ein wichtiger Bestandteil der Gebärdensprachkultur.
Man muss das sehen (und Gebärdensprache ist nun mal visuell) und dann ist es verständlich, was das ist. 🙂
Viele Grüße
Karin
Liebe Karin, ein sehr interessanter Artikel und gute Gründe , Sprache, Sprechen und Kommunikation mal anders zu denken. Dass Schulen Gebärdensprache als Unterrichtsfach anbieten, wusste ich gar nicht, finde es aber klasse. Ich finde die Ruhe und die Bewegungen immer wieder wunderbar, wenn ich Menschen so sprechen „sehe“. Was bedeutet Visual Vernacular? Den Begriff habe ich noch nie gehört. VG, Sabine