Wie kann eine Museumsführung mit Gebärdensprachdolmetschern gut gelingen? Diese Anleitung ist an Museen gerichtet, die sich barrierefrei aufstellen wollen und Führungen in Deutscher Gebärdensprache anbieten möchten. In dieser Anleitung erfährst Du die wichtigsten Schritte und Vorüberlegungen vor der Führung. So kann eine gebärdensprachige Führung gut und weitgehend barrierefrei gelingen!
Inhaltsübersicht
1. Vorüberlegungen zur Führung – wen frage ich?
Ein/e oder zwei Gebärdensprachdolmetscher/innen?
Soll ein Gebärdensprachdolmetscher dolmetschen oder zwei Dolmetscher? Das ist meistens eine Preisfrage. Hierbei wird jedoch übersehen, welch enorme Qualität der Einsatz zweier DolmetscherInnen mit sich bringen kann.
Meistens wird aus finanziellen Gründen für einen Dolmetscher entschieden. Dadurch wird aber die Führung recht „kurz“ – denn Zeit für den Dialog und für die Bildbetrachtung (siehe Schritte 5 und Schritt 6) sollte von der wissensvermittelnden Person auch eingeplant werden, denn der Ablauf der Führung inklusive der kurzen Pausen für Dialog und Bildbetrachtung ist ganz allein die Aufgabe der Wissensvermittlung. Es ist nicht die Aufgabe der Gebärdensprachdolmetschenden, dass die gehörlosen Teilnehmenden mehr Zeit für Betrachtung oder Dialog erhalten. Die Aufgabe des Gebärdensprachdolmetschenden ist allein die Übersetzung von der Deutschen Gebärdensprache in Lautsprache und umgekehrt und die Dolmetschende richtet sich bezüglich der Zeitgestaltung und Inhalt ganz nach der die Führung durchführenden Person.
Hintergrund: Aus Gründen der Qualität für die Dolmetschung gibt es eine Einsatzregel in Verbindung mit der Einsatzdauer.
Eine Stunde = ein Gebärdensprachdolmetscher.
Alles was über eine Stunde hinausgeht, müssen zur Qualitätssicherung immer zwei Gebärdensprachdolmetscher bestellt werden.
Gebärdensprachdolmetscher in der Region des Museums können über die Suchmaschine gefunden werden. Meistens gibt es pro Bundesland eine Vermittlungszentrale für die Anfrage eines Gebärdensprachdolmetschers.
Gebärdensprachige/r Wissensvermittler/in?
Wohnt im Ort oder Umland des Museums ein hörbehinderter oder gehörloser Mensch, der Führungen machen kann, ist dieser zuerst anzufragen, bevor Gebärdensprachdolmetscher angefragt werden.
Eine direkte Kommunikation zwischen dem gebärdensprachigen Wissensvermittler und den gebärdensprachigen Teilnehmern ist viel besser und wird von gehörlosen Menschen bevorzugt, weil zum Einen das Gespräch viel flüssiger läuft und zum Anderen kann der Vermittler auch die Welt und Kultur der Gehörlosen mit einbeziehen. Ein großer Vorteil: obwohl der/die Vermittler/in alleine arbeitet, kann dieser eine 1,5 stündige Führung durchführen und ist immer noch viel günstiger als der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern, da diese zusätzlich zur hörenden Wissensvermittler/in bezahlt werden müssen.
Die Suche nach einer/m gebärdensprachigen Wissensvermittler/in kann sich etwas mühsamer gestalten, es sei denn, diese Person hat eine Webseite oder wird bereits in anderen Museen im Ort oder im Umland eingesetzt.
Für die Region Nordhessen und Kassel biete ich sehr gerne meine Dienste und ein kostenfreies Kennenlern-Gespräch an.
2. Vor der Führung – Informationen weitergeben
Informationen weitergeben ist sowohl bei der Bestellung von Gebärdensprachdolmetschern oder gebärdensprachigem Wissensvermittler für eine Museumsführung enorm wichtig, damit diese Personen sich inhaltlich darauf vorbereiten können.
Das benötigen Gebärdensprachdolmetscher/innen mindestens 2 Wochen vor der Führung:
- Stichpunkte zum Inhalt der Führung
- Fachwörter erwähnen, die in der Führung verwendet werden müssen.
Das benötigen gebärdensprachige Wissensvermittler/innen mindestens 2 Wochen vor der Führung:
Beim Einsatz eines gebärdensprachigen Wissenvermittlers ist dieser wie die hörenden Kollegen in die neue Ausstellung einzuführen und entsprechend mit Informationsmaterialien auszustatten. Dieser erarbeitet die Führung frei wie ein/e hörende/r Wissensvermittler/in und nimmt zusätzlich Bezug auf die Bedarfe gehörloser und hörbehinderter Teilnehmenden.
3. Vor der Führung – Fachsprache vs. Umgangssprache?
Wie schon im 1. Schritt erwähnt, sollten Fachwörter nur dann verwendet werden, wenn es nicht anders geht. Zum Beispiel ist die Stilrichtung der Kunst ein solches „muss“. Expressionismus, Impressionismus sind durchaus auch geläufig und haben auch bereits eine eigene Gebärde.
Eine Sprache, die fast ohne Fachwörter auskommt, wird viel besser aufgenommen, weil sie inhaltlich viel besser verstanden werden kann. Fachwörter, die in der wissenschaftlichen Sprache gerne mal verwendet werden, aber nicht verwendet werden müssen, sollten deshalb vermieden werden. Viel verständlicher und barrierefreier sind ihre umgangssprachliche Entsprechung dieser Fachwörter.
Ein Beispiel: „exekutiv“ – Das Wort kommt aus der politischen und juristischen Sprache. Hier muss ich, obwohl ich studiert habe, immer wieder überlegen und mich erinnern, was das Wort bedeutet und es für mich in eines dieser drei Bedeutungen übersetzen: „vollziehend, durchführend, ausübend“. Warum nicht gleich zum Beispiel „durchführen“ benutzen und somit die Hürden für das sprachliche Verständnis senken?
Gebärdensprachige Wissensvermittler/innen nehmen bezüglich der Wortwahl Rücksicht auf die sprachlichen Kenntnisse der Teilnehmenden und setzt das Wissen in gut verständlicher Sprache um und nimmt zusätzlich zum Bezug zur hörenden Kultur auch Bezüge zur Gehörlosenwelt und Gehörlosenkultur.
4. In der Führung – schnell oder langsam sprechen?
Schnellsprechende FührerInnen aufgepasst: Beim Schnellsprechen können hörende Menschen noch inhaltlich gut mitkommen. Gebärdensprachdolmetscher werden hierbei jedoch schon arg gefordert. Sie müssen nämlich nicht nur hören, sondern den Inhalt des Gesagten sich merken und in Gebärdensprache übersetzen und wiedergeben. Dieser Vorgang benötigt Zeit.
Sprichst Du zu schnell, können Gebärdensprachdolmetscher nicht mehr den kompletten Inhalt wiedergeben, Inhalte gehen somit verloren. Auf Dauer kann Schnellsprechen auch recht anstrengend werden, weil sie deutlich mehr Konzentration erfordert. Da in der Regel die Gebärdensprachdolmetscher bei einer einstündigen Führung alleine arbeiten, ist es sehr hilfreich, wenn in einer normaleren Geschwindigkeit gesprochen wird.
Zu langsames Sprechen hilft nämlich auch nicht. Die dolmetschende Person muss den ganzen Satz und bestenfalls auch schon den nächsten Satz gehört haben, um den ersten ganzen Satz im richtigen Kontext übersetzen zu können.
Beim Einsatz von gebärdensprachigen Wissensvermittler/innen entsteht dieses Problem nicht, da die Kommunikation direkt stattfindet, ohne den Umweg über eine dritte Person. Hier ist ein Infobild dazu und der Vergleich zum Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern:
Infografik zeigt die Kommunikation eine/r gebärdensprachigen Museumsführer/in mit einer Gruppe gehörloser Menschen als direkte Kommunikation auf. Die Infografik zeigt die Kommunikation eine/r hörenden Museumsführer/in mit einer Gruppe gehörloser Menschen als Dreiecks-Kommunikation über eine/n Gebärdensprachdolmetscher/in auf.
5. In der Führung – Zeit für den Dialog
Beim Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern:
Hast Du gerade an die gebärdensprachigen Teilnehmenden eine Frage gestellt? Dann warte bitte mindestens doppelt so lange die Antwort und achte hierbei auch auf den Dolmetscher. Dann wirst Du mit Antworten belohnt!
Hintergrund: Die Dolmetschende muss noch Deine vorherigen Sätze übersetzen und kommt erst dann zur Frage, während Sie bereits auf die Antwort warten. Dann benötigen die Teilnehmenden auch noch etwas Zeit, sich eine Frage oder Antwort zu überlegen und entsprechend sich zu melden. Doch oft genug wird dann genau in diesem Augenblick die Führung weiter fortgesetzt und den Teilnehmenden die Möglichkeit genommen, überhaupt auf die Frage antworten zu können.
Beim Einsatz von gebärdensprachigen Wissensvermittler/innen verläuft die Kommunikation direkt und ohne den Umweg über eine dritte Person. Deshalb kann die Kommunikation deutlich fließender gestaltet werden, ganz genauso wie bei eine/r hörenden Wissensvermittler/in, ganz gleich, in welcher Sprache (Deutsch, Englisch…) diese Person spricht.
6. In der Führung – Zeit für die Bilder
Hörbehinderte und gehörlose Menschen sind Augenmenschen. Sie kommunizieren mit den Augen. Das bedeutet im Gegensatz zu den hörenden Menschen, die zuhören und gleichzeitig Bilder betrachten können, dass hörbehinderte und gehörlose Menschen zusätzliche Zeit für die Bildbetrachtung benötigen. Diese Zeit sollten Sie beim Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher/in berücksichtigen.
Andernfalls müssen die Teilnehmenden sich entscheiden, wohin sie schauen wollen – zur Dolmetscherin für den Inhalt oder zu den Bildern. Oft genug entscheiden sie sich gegen die Bilder bzw. für einen viel zu kurzen Blick auf das Bild. Doch eine gute Führung lebt davon, dass für die Bildbetrachtung genügend Zeit eingebaut werden kann, damit auch der Inhalt des Gesagten besser verständlicher wird.
Beim Einsatz von gebärdensprachigen Wissensvermittler/innen läuft auch dies während der Führung ganz automatisch mit: es gibt insgesamt eine halbe Stunde zusätzlich Zeit für die Bildbetrachtung während der Führung. Somit können Teilnehmende bei einer Führung mit eine/m gebärdensprachigen Wissensvermittler/in ungefähr das Wissen von einer Stunde wie bei einer Führung von hörenden Teilnehmenden aufnehmen und durch die zusätzliche Zeit können die Bilder betrachtet werden.
Für Kassel und Nordhessen…
Für den Raum Nordhessen und Kassel biete ich für Museen, die eine gebärdensprachige Wissensvermittlerin suchen, sehr gerne meine Dienste und ein kostenfreies Kennenlern-Gespräch an.
Weiterlesen zu diesem Thema:

Gebärdensprachdolmetscher und gebärdensprachige Wissensvermittlung – Was ist der Unterschied im Einsatz im Museum? Darauf geht dieser Artikel ein und erläutert auch die finanziellen Unterschiede – ein relativ wichtiger Punkt für klamme Museumskassen…
In meinem Artikel „Was ist an der Museumsführung für gehörlose Menschen anders?“ habe ich die Unterschiede zu einer Führung mit gehörlosen Teilnehmenden im Vergleich zu hörenden Teilnehmenden näher erläutert.
Karin Müller Schmied
Museumsführungen und
Pädagogische Assistenz
in Deutscher Gebärdensprache
Für mich steht die kommunikative Barrierefreiheit an erster Stelle. Als Kindergartenassistentin begleite ich Dein gehörloses Kind im Kindergarten in Deutscher Gebärdensprache. In Museen führe ich Dich und Deine Familie durch die Ausstellungen in Deutscher Gebärdensprache und mache selbst Kunst.
In der Freizeit male und gärtnere ich gerne.